Digitalen Dialog fördern: Warum noch miteinander reden?

Lesezeit min

Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit dem CEO eines großen deutschen Mittelständlers. Dabei bemerkte er, zugegeben, leicht provokativ: „Wir haben Yammer, Rohrpost, Teams-Chat usw. – Wozu dieses ganze Gerede? Welchen Mehrwert schafft diese Art der Kommunikation im Unternehmenskontext? – Besser man regelt die Dinge klar, schriftlich, flächendeckend und ohne persönliche, direkte Kommunikation. Man spart sich die zeitraubende Auseinandersetzung mit einzelnen Menschen“. Aus der Sicht des CEO ein absoluter Vorteil digitaler Kommunikation. Also: oberflächlich gesehen, alles in Ordnung! – Genau, „oberflächlich gesehen“.

Wir kennen das Eisberg-Modell, mit dem Paul Watzlawick Kommunikation beschrieben hat: 7/8 des Eisbergs, das, was die Titanic versenkt hat, die eigentlichen Probleme, liegen unter der Oberfläche – um diese Probleme zu managen, muss man sie erst einmal erkennen und ansprechen.

Unternehmensverluste durch hohe Fluktuation, Silobildung, innere Kündigung und hohen Krankenstand sind häufig Symptome verdeckter Konflikte. Wer hat schon einmal versucht, einen Konflikt per E-Mail zu lösen? Viel Glück mit endlosen E-Mail-Ketten, voll von Missverständnissen. Ineffektiver und destruktiver geht’s meiner Meinung nach kaum noch. Mein Fazit: Die schöne neue Welt endloser digitaler Kommunikations-möglichkeiten bietet endlose Möglichkeiten, über die wirklichen Themen hinwegzutäuschen und persönliche Kommunikation zu vermeiden. Unfokussierte Kommunikation mit Streu-Effekt ohne wirklichen Effekt. Das Gegenteil von effektiv.

Menschen – auch die in Unternehmen - kommunizieren gerne mit denen, die die gleiche Weltsicht haben. Wir suchen nach bestätigender Information, nach Klarheit, insbesondere in schwierigen Situationen. Das ist etwas zutiefst Menschliches. Die Digitalisierung hat uns das noch einfacher gemacht. Das Auseinanderdriften, die Spaltungen innerhalb der Gesellschaft und der Weltgemeinschaft werden dadurch weiter zementiert. Aber muss das so sein? Was, wenn wir wagen, die Möglichkeiten, die Digitalisierung und Globalisierung uns bieten, zu nutzen, um persönliche, fokussierte und wertschätzende Kommunikation zu fördern – und zwar genau zwischen denen, die sich ansonsten nicht austauschen würden?

Dazu braucht es einen „Game-Changer“ – einen neuen, disruptiven Ansatz, der Digitalität als eine Art „Gegengift“ einsetzt, um die Qualität und nicht nur die Quantität von Kommunikation zu steigern. Mit der Webapp „AppReciate“ sind wir auf dem Weg dahin.

Autorin: Gabriele Beitinger / Foto von Alones auf Shutterstock